Der Sinn von Putzen von Thomas Schulte

In unserem Blog in den Kategorien

Kürzlich war ich auf einem fünftägigen Meditationskurs. Schauplatz des Geschehens: der Benediktushof bei Holzkirchen in der Nähe von Würzburg, ein ehemaliges Benediktinerkloster.  Ganz in der Tradition der Benediktiner müssen die Teilnehmer eine Stunde bei der Haus- oder Gartenarbeit mithelfen.

Leider waren bei meiner Einschreibung am Vorabend schon viele der Haus- und Gartenarbeiten zugeteilt worden. Zu vergeben waren nur noch ein paar offensichtlich wenig attraktive Putzarbeiten von Fluren und WCs. Zähneknirschend nahm ich das kleinste Übel: einen Flur im Obergeschoss eines der Gebäude.

Ein wenig später, beim gemeinsamen ersten Abendessen, erläuterte der Kursleiter dann einige organisatorische Fragen und gab uns bezüglich der Hausarbeit mit auf den Weg: „Auch wenn es schwer fällt, versucht Euch bitte auf diese eine Stunde so gut es geht einzulassen.“

Am nächsten Morgen ging es viel zu früh los. 5.15 Uhr aufstehen, 5.45 Uhr Beginn der ersten Meditation, danach Frühstück und von 8.00 Uhr bis 9.00 Uhr die besagte Hausarbeit. Etwas müde aber optimistisch machte ich mich auf den Weg zu dem Flur, bewaffnet mit Eimer, Wischer und einer Reihe anderer Utensilien.

Meine gute Laune verflog schnell, als ich den Flur sah: Endlose Weiten! Es galt den Boden zu wischen, alle Türen (18!) mit Rahmen zu reini-gen und (gefühlte 500 m) Fußleisten abzustauben.

So schnell wie möglich erledigte ich alles. Nach 20 Minuten war ich durch. Toll! Schweißgebadet, aber fertig. Nur eines war mir klar: ich hatte mich nicht auf diese eine Stunde eingelassen. Und ehrlicherweise hatte ich auch ein paar Meter Fußleisten ausgelassen und bei den Türen ein Auge zugedrückt.

Am zweiten Morgen ging es schon ein wenig besser: ich nahm mir 30 Minuten Zeit und nahm die Aufgabe schon ein wenig ernster. Am dritten Morgen fing ich überraschenderweise an, Gefallen an der Putzerei zu finden und verbrachte schon 45 Minuten damit. Am letzten Tag widmete ich mich eine volle Stunde dem Putzen, entdeckte Winkel und Ecken, die mir die Tage zuvor gar nicht aufgefallen waren. Ich identifizierte mich irgendwie mit diesem Flur. Unglaublich, es war „mein“ Flur geworden.

Übrigens, die Meditation war auch sehr gut. Kein Zweifel. Aber dieser Flur… Seitdem sehe ich manche (auf den ersten Blick unattraktive) Aufgaben mit anderen Augen, mit mehr Motivation und Zuneigung. Ich glaube nun, dass Menschen auch im trivialen und ungeliebten etwas Besonderes entdecken können.